Level 4
Herleitung: Coulomb-Gesetz mittels erster Maxwell-Gleichung
Im Folgenden wird das Coulomb-Gesetz aus der 1. Maxwell-Gleichung für elektrostatische elektrische Felder unter zuhilfenahme des mathematischen Gauß-Integraltheorems hergeleitet.
Während Gauß-Integraltheorem:1\[ \int_{A} \boldsymbol{E} ~\cdot~ \text{d}\boldsymbol{a} ~=~ \int_{V} \nabla ~\cdot~ \boldsymbol{E} ~ \text{d}v \]sowohl für bewegte als auch für unbewegte Ladungen funktioniert, gilt das Coulomb-Gesetz (im Koordinatenursprung platzierte Punktladung \( Q \)) 2\[ \boldsymbol{F}_{\text e} ~=~ \frac{1}{4\pi \, \varepsilon_0} \, \frac{Q \, q}{r^2} \, \boldsymbol{\hat{e}}_{\text r} \]nur für unbewegte (stationäre) Ladungen, oder näherungsweise für Ladungen, die sich sehr langsam bewegen.
Streng genommen lässt sich das Coulomb-Gesetz nur dann aus dem Gauß-Integraltheorem herleiten, wenn zusätzlich eine sphärische Symmetrie des elektrischen Feldes \( \boldsymbol{E} \) einer Punktladung angenommen wird.
Rechte Seite des Gauß-Integraltheorems 1
lässt sich mit der folgenden differentiellen Maxwell-Gleichung für elektrostatische E-Felder ausrechnen:
Setze 3
in 1
ein:4\[ \int_{A} \boldsymbol{E} ~\cdot~ \text{d}\boldsymbol{a} ~=~ \frac{1}{\varepsilon_0} \int_{V} \rho ~ \text{d}v \]
Das Integral der Ladungsdichte \( \rho \) über das Volumen \( V \) ergibt die gesamte, von diesem Volumen eingeschlossene Ladung \( Q \), denn Ladungsdichte ist definiert als Ladung pro Volumen \( \rho = Q / V \). Gleichung 4
verwandelt sich also zu:5\[ \int_{A} \boldsymbol{E} ~\cdot~ \text{d}\boldsymbol{a} ~=~ \frac{Q}{\varepsilon_0} \]
Um das Integral auf der linken Seite von 5
zu berechnen, muss zuerst das Skalarprodukt \( \boldsymbol{E} ~\cdot~ \text{d}\boldsymbol{a} \) berechnet werden. Dazu wird angenommen, dass das elektrische Feld \( \boldsymbol{E} \) an jedem Punkt der Oberfläche \( A \) ("A" steht übrigens für "Area") konstant ist. Dies ist gewährleistet, wenn eine radiale Symmetrie des elektrischen Feldes angenommen wird. Dann zeigt das elektrische Feld stets radial nach außen, was durch den radialen Einheitsvektor (in Kugelkoordinaten) \( \boldsymbol{\hat{e}}_{\text r} \) repräsentiert wird:6\[ \boldsymbol{E} ~=~ E \, \boldsymbol{\hat{e}}_{\text r} \]dabei ist \( E := |\boldsymbol{E}| \) der Betrag von \( \boldsymbol{E} \). Nun lässt sich 6
mit dem infinitesimalen Flächenelement \( \text{d}\boldsymbol{a} \) vereinfachen, denn das Flächenelement steht ebenfalls senkrecht auf einer radial symmetrischen Oberfläche mit einem Radius \( r \). Der Orthonormalenvektor des Flächenelements \( \boldsymbol{\hat{e}}_{\text r} \) verläuft also parallel zum elektrischen Feld:7\[ \boldsymbol{E} ~\cdot~ \text{d}\boldsymbol{a} ~=~ E \, \boldsymbol{\hat{e}}_{\text r} ~\cdot~ \boldsymbol{\hat{e}}_{\text r} \, \text{d}a ~=~ E \, \text{d}a \]
Nun kannst Du den Betrag \( E \) des elektrischen Feldes in 5
vor das Integral ziehen, nach dem Du 7
in 5
eingesetzt hast:8\[ E \, \int_{A} \text{d}a ~=~ \frac{Q}{\varepsilon_0} \]
Das Flächenintegral in 8
steht - aufgrund der Kugelsymmetrie - für den Flächeninhalt einer Kugeloberfläche und beträgt \( A ~=~ 4\pi \, r^2 \):9\[ E \, 4 \pi \, r^2 ~=~ \frac{Q}{\varepsilon_0} \]
Der Betrag der elektrischen Feldstärke ist definiert als (elektrische) Kraft pro Ladung: 10\[ E ~=~ \frac{F_{\text e}}{q} \]
Anders gesagt: Wird eine kleine Ladung (klein, damit sie nicht zu krass das äußere Feld \( E \) mit seinem eigenen E-Feld stört) irgendwo an einem Ort platziert, wo es eine elektrische Feldstärke herrscht, dann erfährt diese Ladung eine elektrische Kraft \( F_{\text e} \). Setze 10
in 9
ein:11\[ \frac{F_{\text e}}{q} \, 4 \pi \, r^2 ~=~ \frac{Q}{\varepsilon_0} \]und stelle 11
nach der elektrischen Kraft um. Dann bekommst Du das gesuchte Coulomb-Gesetz, also den Betrag der elektrischen Kraft für eine Punktladung \( q \) in einem elektrischen Feld, welches von einer anderen Punktladung \( Q \) verursacht wird:12\[ F_{\text e} ~=~ \frac{1}{4\pi \, \varepsilon_0} \, \frac{Q \, q}{r^2} \]
Zusammen mit dem Einheitsvektor in radiale Richtung, bekommst Du auch die vektorielle Version des Coulomb-Gesetzes, wie in 2
: