Herleitung Dispersionsrelation der Gitterschwingung für eine einatomige Basis
Wir wollen eine Dispersionsrelation \(\omega(k)\) für eine 1-atomige, unendlich ausgedehnte, eindimensionale Kette (eindimensionale Netzebenen) herleiten. Die Ketten haben einen Abstand \( a \) zueinander und enthalten Atome der Masse \(m\). Mit der Dispersionsrelation können wir dann die Schwingung der Atomkette klassisch beschreiben. Hierbei ist \( \omega \) die Frequenz und \( k \) die Wellenzahl der Schwingung. Beispielsweise bei einer elektromagnetischen Welle ist die Dispersionsrelation linear: \( \omega(k) = c \, k \), mit \( c \) als Lichtgeschwindigkeit. So einen Zusammenhang wollen wir für einen einatomigen Kristall berechnen.
Wird eines der Atome senkrecht (longitudinal) zur Kette ausgelenkt, dann spüren all die anderen Atome eine Kraft, die sie ebenfalls aus ihrer Ruhelage auslenkt. Sie werden jedoch nicht in irgendeine Richtung ausgelenkt, sondern ebenfalls senkrecht zur Netzebene. Warum nur senkrecht? Wenn du die Kräfte, die auf zwei gegenüberliegende Atome innerhalb einer Kette wirken, auf die Netzebene projizierst, dann heben sich die Projektionen genau weg. Übrig bleibt nur die senkrechte Komponente der Kraft. Eine analoge Überlegung gilt auch für rein paralelle Auslenkung eines Atoms aus seiner Ruhelage (transversal). Für eine beliebige Auslenkung des Atoms gilt das natürlich nicht, deshalb betrachten wir nur den einfachen Fall einer longitudinalen Gitterschwingung.
Die Ketten nummerieren wir mit einer natürlichen Zahl \(n \in \mathbb{N} \). Um zu anderen Ketten zu gelangen benutzen wir eine ganze Zahl \(z \in \mathbb{Z} \), die wir zu \(n\) addieren oder von \(n\) subtrahieren können. Wird nun die \((n+z)\)-te Kette um den Betrag \( u_{n+z} \) orthgonal ausgelenkt, dann hat diese Auslenkung eine Auswirkung auf die \(n\)-te Kette, die dadurch eine Auslenkung \( u_n \) erfährt. Dabei wollen wir die wirkende Kraft \( F_n \) auf die \(n\)-te Kette durch das Hooksche Federgesetz beschreiben:
Hierbei ist \( D_z \) eine Federkonstante, die die Stärke der Kopplung zwischen der \((n+z)\)-ten und \( n \)-ten Kette beschreibt. Da wir viele Ketten haben, die mit der \(n\)-ten Kette gekoppelt sein können, summieren wir über \(z\).
Setze Gl. 1
mit dem 2. Newton-Axiom \( m \, \frac{\text{d}^2 u_n}{\text{d} t^2} \) gleich, um eine Differentialgleichung für die Auslenkung \(u\) zu erhalten:
Die Lösung einer derartigen gewöhnlichen Differentialgleichung zweiter Ordnung sind harmonische Funktionen. Machen wir den folgenden Lösungsansatz (Exponentialansatz) für die Auslenkung:
Hierbei ist \(k\) eine Wellenzahl und \( \omega \) die Frequenz der Welle, die durch die Schwingung der Ketten entsteht. Und \(C\) ist eine noch zu bestimmende Konstante.
Nach dem Lösungsansatz gilt für die \(n\)-te Auslenkung (\(z=0\)):
Die Auslenkung 4
müssen wir zweimal nach \(t\) ableiten. Dann können wir den Lösungsansatz 3
, 4
und die Ableitung in die Differentialgleichung 2
einsetzen:
Dabei kürzt sich der Faktor \( C \, \mathrm{e}^{\mathrm{i} \omega t} \) weg und mit ihr die unbekannte Konstante \(C\). Bringen wir noch alles auf die linke Seite:
Da die Kette symmetrisch ist, gilt für die Federkonstante \( D_z = D_{-z} \). Das heißt, sowohl die Kette \( n+z \) als auch die Kette \( n-z \) sind gleich mit der Kette \( n \) gekoppelt. Mit dieser Information lässt sich Gl. 6
vereinfachen:
Als nächstes schreiben wir komplexen Exponentialfunktionen mithilfe der Euler-Formel um und bringen damit Cosinus und Sinus ins Spiel:
Nutze die Symmetrie- und Antisymmetrie-Eigenschaften von Cosinus und Sinus aus, wodurch sich Gl. 8
zusammenfassen lässt:
Nun haben wir eine Gleichung herausbekommen, die keine Auslenkung mehr enthält und nur von Konstanten, von der Kreisfrequenz \(\omega\) und Wellenzahl \(k\) abhängt. Da wir die Dispersionsrelation \( \omega(k) \) suchen, müssen wir Gl. 9
nach der Kreisfrequenz \( \omega \) umstellen:
Die Dispersionsrelation 10
berücksichtigt auch die Wechselwirkung zwischen den übergreifenden Netzebenen. Wenn Du nur die Wechselwirkung zwischen benachbarten Netzebenen berücksichtigst, fallen alle Kopplungskonstanten \( D_z \) mit \( z \neq 1 \) weg. Das heißt eine Auslenkung der Netzebene \( q=n+2\) hat keine Auswirkung auf die Netzebene \( n \). Übrig bleibt nur Kopplungskonstante \( D_1 \), die wir einfach \( D \) nennen:
Mithilfe der Doppelwinkelfunktion \( \sin^2(x) ~=~ \frac{1}{2}(1-\cos(2x)) \) lässt sich Gl. 11
auch folgendermaßen schreiben:
Die Dispersionsrelation 12
gilt für eine einatomige Kette, die nur mit ihrer rechten und linken Nachbarkette wechselwirkt und nur longitudinal (bzw. transversal) ausgelenkt wird. An der Formel 12
für die Dispersionsrelation sehen wir, dass sie wegen \( \sin^2 \) symmetrisch und unabhängig von der Ausbreitungsrichtung der Schwingung ist: \( \omega(k) = \omega(-k) \) (siehe Illustration 2).
Wir können auch aus der Dispersionsrelation beispielsweise die Gruppengeschwindigkeit \(v_{\text g}\) berechnen, wenn wir Gl. 12
nach der Wellenzahl \(k\) ableiten: