Herleitung Dispersionsrelation der Gitterschwingung für eine zweiatomige Basis
Das Ziel ist es eine Dispersionsrelation \( \omega_{\pm}(k) \) für einen unendlich ausgedehnten Kristall mit zweiatomiger Basis herzuleiten. Die Basis enthält zwei Atome, jeweils mit der Masse \( m_1 \) und Masse \( m_2 \).
Genauso wie bei der Herleitung der Dispersionsrelation für eine einatomige Basis, machen wir die Näherung, dass eine Auslenkung der Netzebene \(n\) nur einen Einfluss auf die benachbarten Netzebenen hat - also nur einen Einfluss auf die Netzebene \(n+1\) und \(n-1\), aber nicht zum Beispiel auf die Netzebene \(n+2\) und so weiter. Außerdem sollen die Auslenkungen orthogonal zur jeweiligen Netzebene sein, wie in der Illustration 1 gezeigt.
Mit \( u_n \) bezeichnen wir die Auslenkung der \(n\)-ten Netzebene aus der Ruhelage. In dieser Netzebene befinden sich die Massen \(m_1\).
Mit \( y_n \) bezeichnen wir die Auslenkung der \(n\)-ten Netzebene aus der Ruhelage. In dieser zweiten \(n\)-ten Netzebene befinden sich die Massen \(m_2\).
Bei diesem Problem müssen wir zwei Differentialgleichungen für die Auslenkung \(y_n\) und \(u_n\) aufstellen. Dazu nutzen wir das Hookesche Federgesetz und setzen es mit dem 2. Newton-Axiom gleich:
Dabei ist \( D \) die Federkonstante, die zwei benachbarte Netzebenen koppelt. Lass uns bei Gl. 1
und 2
zuerst die Klammern auf der rechten Seite ausmultiplizieren und dann \(D\) ausklammern. Anschließend bringen wir alles auf die linke Seite:
Als Lösungsansatz für die beiden Differentialgleichungen 3
und 4
nehmen wir den Exponentialansatz:
Dabei ist \( k \) die Wellenzahl und \( \omega \) die Frequenz der Schwingung der Netzebene im Kristall. \(C_u \) und \( C_y\) sind unbekannte Konstanten.
Exponentialansätze in die erste Differentialgleichung einsetzen:
Bevor wir den Exponentialansatz 5
in die erste Differentialgleichung 3
einsetzen können, müssen wir diesen zweimal nach der Zeit \(t\) ableiten. Und da in der Differentialgleichung auch die Auslenkung \(y_{n-1}\) vorkommt, passen wir dafür den Exponentialansatz 6
an:
y_{n-1} ~&=~ \frac{C_y}{\sqrt{m_2}} \, \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}ka - \mathrm{i}\omega t} \end{align} $$
Jetzt können wir die Ableitung und die Exponentialansätze 5
, 6
und 7
in die erste Differentialgleichung 3
einsetzen:
~-~ \frac{D \, C_y}{\sqrt{m_2}} \, \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}\omega t} & ~-~ \frac{D \, C_y}{\sqrt{m_2}} \, \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}ka - \mathrm{i}\omega t} ~=~ 0 \end{align} $$
Jetzt müssen wir nur noch die Gleichung 8
vereinfachen. Klammere dazu \( \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}\omega t} \) aus und dividiere die Gleichung durch diesen Faktor:
Klammere bei den ersten beiden Summanden \(\frac{C_u}{\sqrt{m_1}}\) aus und bei den letzten beiden Summanden \(\frac{D \, C_y}{\sqrt{m_2}}\):
Als nächstes multiplizieren wir 10
mit \( 1/\sqrt{m_1} \) und stellen die Gleichung so um, dass vor den \(C_u\) und \(C_y\) die Koeffizienten stehen. Das wird unsere erste lineare Gleichung:
Exponentialansätze in die zweite Differentialgleichung einsetzen:
Analog gehen wir mit der zweiten Differentialgleichung vor. Dazu leiten wir zuerst \(y_n\) zweimal nach der \(t\) ab und passen den Ansatz 5
für die Auslenkung \(u_{n+1}\) an, weil sie eben in der zweiten Differentialgleichung vorkommt:
u_{n+1} ~&=~ \frac{C_u}{\sqrt{m_1}} \, \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}\omega t}\,\mathrm{e}^{ika} \end{align} $$
Jetzt können wir die zweite Ableitung und die Exponentialansätze 12
, 5
und 6
in die zweite Differentialgleichung 4
einsetzen:
~-~ \frac{D \, C_u}{\sqrt{m_1}} \, \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}\omega t} & ~-~ \frac{D \, C_u}{\sqrt{m_1}} \, \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}\omega t}\,\mathrm{e}^{ika} ~=~ 0 \end{align} $$
Klammern wir \( \mathrm{e}^{\mathrm{i}kna - \mathrm{i}\omega t} \) aus und teilen anschließend durch diesen Faktor. Dann multipliziere wir die Gleichung mit \( 1/\sqrt{m_2} \) und stellen sie so um, dass vor den \(C_y\) und \(C_u\) die Koeffizienten stehen:
Ergebnis zusammenfassen:
Durch das Aufstellen der Differentialgleichungen und das Einsetzen der Exponentialansätze (Lösungen) haben wir ein lineares Gleichungssystem (LGS) aufgestellt:
\left( \frac{2D}{m_2} - \omega^2 \right) \, C_y ~-~ \frac{D}{\sqrt{m_2 \, m_1}} \left( 1+\mathrm{e}^{\mathrm{i}ka} \right) \, C_u ~&=~ 0 \end{align} $$
Dieses LGS können wir in der Matrixschreibweise ausdrücken:
Aus der Mathematik wissen wir, dass für beliebige \( C_y\) und \(C_u \) die Determinante der obigen Matrix Null sein muss. Nur so ist die Eigenwertgleichung 16
mit Eigenwert \( 0 \) erfüllt:
Lass uns die Matrixelemente mit \(a,b,c,d\) abkürzen:
Die Matrixgleichung entspricht dem folgenden LGS, dass wir lösen müssen:
c \, C_u ~+~ d \, C_y ~&=~ 0 \end{align} $$
Stelle die erste Gleichung nach \(C_u\) um und setze sie in die zweite Gleichung des LGS ein:
Teile die Gleichung durch \(C_y\):
Mit dem Laplace-Entwicklungssatz findest du leicht heraus, dass die Determinante dieser 2x2-Matrix gleich \(-c\,b ~+~ d\,a \) ist. Und wir haben herausbekommen, dass die Determinante Null sein muss.
Determinante der Matrix 17
ist mit dem Laplace-Entwicklungssatz leicht zu bestimmen. Wenn du nicht weißt, wie das geht, dann schau dir die Gleichungen 18
und 21
an. Die herausgefundene Determinante, wie wir bereits begründet haben, muss Null sein:
Multipliziere die Klammern in Gl. 22
aus:
Sortiere Gl. 23
nach der Potenz der Frequenz \( \omega \). Außerdem kannst Du die Exponentialfunktionen mittels der Euler-Formel in Cosinus umschreiben:
Wie du siehst, ist es eine quartische Gleichung für die Frequenz \(\omega\). Diese müssen wir nach \(\omega\) umstellen, da wir ja die Disperionsrelation bestimmen wollen. Substituiere dazu \( \omega^4 := \omega_{\pm}^2 \), um daraus eine quadratische Gleichung zu machen. Die beiden Lösungen der quadratischen Gleichung gibt dir die p-q-Formel:
Damit haben wir die Disperionsrelation für ein Kristall mit zweiatomiger Basis herausgefunden. Die Lösung 25
können wir noch mit der trigonometrischen Beziehung \( \sin^2(x) ~=~ \frac{1}{2}(1-\cos(2x)) \) so umschreiben:
Beachte, dass diese Disperionsrelation nur für ein Kristall gilt, bei dem die Netzebenen rein longitudinal (oder transversal) schwingen und die Auslenkung einer Netzebene nur einen Einfluss auf die Nachbarnetzebenen hat.
Nur positive Frequenzen sind physikalisch sinnvoll, das heißt: Wenn Du die Wurzel aus 26
ziehst, bekommst Du zwei Lösungen:
Lösung \( \omega_- \) wird als akustischer Dispersionszweig bezeichnet.
Lösung \( \omega_+ \) wird als optischer Dispersionszweig bezeichnet.