Herleitung Magnetischer Dipol - Drehmoment, Energie, Kraft
Betrachte eine rechteckige, leitende Schleife mit den Kantenlängen \(a\) und \(b\). Sei die Schleife um die Achse parallel zur Kante \(a\) drehbar. Nennen wir diese Achse \(\text{C}\). Sei die Schleife um die Achse parallel zu \(b\) nicht drehbar. Außerdem wird die Schleife von einem elektrischen Strom \(I\) durchflossen.
Sei \(\boldsymbol{A}\) der Flächenorthogonalenvektor, der die von der Schleife eingeschlossene Fläche \(A\) repräsentiert und orthogonal auf dieser Fläche steht. Mit der rechten Hand-Regel und der vorgegebenen technischen Stromrichtung ist die Richtung von \(\boldsymbol{A}\) eindeutig festgelegt. Das magnetische Dipolmoment ist damit definitionsgemäß:
Wird die Schleife nun in ein homogenes externes Magnetfeld \(\boldsymbol{B}\) platziert, dann dreht sich die Schleife solange, bis \( \boldsymbol{A} \) und \(\boldsymbol{B}\) in gleiche Richtung zeigen. Während der Drehung um die Achse \(\text{C}\) besitzt die Schleife ein Drehmoment \(\boldsymbol{M}\) entlang von \(\text{C}\). Dieses wird im Folgenden hergeleitet.
Drehmoment
Das Drehmoment \(\boldsymbol{M}\) um eine Drehachse \(\text{C}\) ist definiert als das Kreuzprodukt des Abstands \( \boldsymbol{r} \) des Leiterstücks von der Drehachse und der am Leiterstück wirkenden Kraft \( \boldsymbol{F} \):2\[ \boldsymbol{M} ~=~ \boldsymbol{r} \times \boldsymbol{F} \]
Auf das erste parallele Leiterstück der Länge \(a\), das sich in einem homogenen Magnetfeld \(\boldsymbol{B}\) befinden, wirkt die Lorentzkraft (magnetische Kraft):3\[ \boldsymbol{F}_1 ~:=~ F ~=~ I \, \boldsymbol{a} ~\times~ \boldsymbol{B} \]
Hierbei verläuft der Vektor \(\boldsymbol{a}\) entlang des Leiterstücks. Analog kann die Kraft auch \(a \, \boldsymbol{I} ~\times~ \boldsymbol{B}\) geschrieben werden. Dann ist der Strom ein Vektor, der die technische Stromrichtung entlang des Leiterstücks angibt und \(a\) ein Skalar.
Auf das zweite Leiterstück, in dem der Strom in entgegengesetzte Richtung zeigt, wirkt ebenfalls eine magnetische Kraft. Diese zeigt jedoch in entgegengesetzte Richtung:4\[ \boldsymbol{F}_2 ~:=~ -F \]
Der Vektor \(\boldsymbol{r}\) ist in 2
der Abstand des Leiterstücks der Länge \(a\) von der Achse \(\text{C}\). Das heißt \(\boldsymbol{r}\) verläuft parallel zu \(\boldsymbol{b}\). Dieser Abstand beträgt für das erste Leiterstück: \( \boldsymbol{r}_1 = \frac{\boldsymbol{b}}{2} \). Das gegenüberliegende zweite Leiterstück befindet sich dagegen bei: \( \boldsymbol{r}_2 = -\frac{\boldsymbol{b}}{2} \), da hier \(\boldsymbol{r}\) in entgegengesetzte Richtung zeigt. Beide Anteile mit den dazugehörigen Kräften 3
und 4
tragen zum Drehmoment \(\boldsymbol{M}\) bei. Damit wird 2
: 5\begin{align*}
\boldsymbol{M} & ~=~ \boldsymbol{r}_1 \times \boldsymbol{F}_1 ~+~ \boldsymbol{r}_2 \times \boldsymbol{F}_2 \\\\ & ~=~ \frac{\boldsymbol{b}}{2} \times \boldsymbol{F} ~+~ \left(-\frac{\boldsymbol{b}}{2}\right) \times \left(-\boldsymbol{F}\right) \\\\
& ~=~ \boldsymbol{b} \times \boldsymbol{F}
\end{align*}
Jetzt muss nur noch die Lorentzkraft 3
in 5
eingesetzt werden: 6\begin{align*}
\boldsymbol{M} & ~=~ \boldsymbol{b} \times \left( I \, \boldsymbol{a} ~\times~ \boldsymbol{B}\right) \\\\ & ~=~ I \, \boldsymbol{b} \times \boldsymbol{a} ~\times~ \boldsymbol{B}
\end{align*}
Das doppelte Kreuzprodukt kann vereinfacht werden. Das Kreuzprodukt \(\boldsymbol{b} \times \boldsymbol{a} \) steht orthogonal auf \(\boldsymbol{a}\) und \(\boldsymbol{b}\) und entspricht genau dem Flächenorthogonalenvektor \(\boldsymbol{A}\). Damit wird 6
: 7\[ \boldsymbol{M} ~=~ I \, \boldsymbol{A} ~\times~ \boldsymbol{B}\]
Wird noch das magnetische Dipolmoment 1
in 7
eingesetzt, ergibt sich der Zusammenhang zwischen dem Drehmoment, magnetischen Dipolmoment und dem externen Magnetfeld:
Der Betrag des Drehmoments 8
ist damit:9\[ M ~=~ \mu \, B \, \sin(\varphi) \]wobei \(\varphi\) der Winkel zwischen \(\mu\) und \(B\) ist.
Potentielle Energie
Mithilfe des hergeleiteten Drehmoments lässt sich die potentielle Energie \(W_{\mu}\) des magnetischen Dipols herleiten.
Die Arbeit \(W\), die vom externen Magnetfeld verrichtet wird, um den Dipol zu drehen, beträgt allgemein:10\[ W ~=~ \int F \, \text{d}s \]
Der Betrag des Drehmoments 2
ist gegeben durch:11\[ M ~=~ r \, F \, \sin(\alpha) \]
Der Winkel \(\alpha\) zwischen dem Ortsvektor \(\boldsymbol{r}\) und der Kraft \(\boldsymbol{F}\) beträgt hier 90 Grad, denn die Kraft lässt sich in einen zu \(\boldsymbol{r}\) parallelen Anteil \(\boldsymbol{F}_{||}\) und in einen zu \(\boldsymbol{r}\) orthogonalen Anteil \(\boldsymbol{F}_{\perp}\) aufspalten. Der parallele Anteil trägt nicht zur verrichteten Arbeit bei. Deshalb vereinfacht sich 11
zu:12\[ M ~=~ r \, F_{\perp} \]
Mithilfe von 12
kann die Kraft im Integral 10
mit dem Drehmoment \(M\) ausgedrückt werden (\(F:=F_{\perp}\)):13\[ W ~=~ \int \frac{M}{r} \, \text{d}s \]
Das \(\text{d}s\)-Element wird in Polarkoordinaten ausgedrückt als \(\text{d}s = -r \,\text{d}\varphi \) (Minuszeichen, da \(\text{d}s\) entgegen zu \(\text{d}\varphi\) zeigt). Beim Einsetzen in 11
kürzt sich \(r\) weg. Auf diese Weise wird die vom Magnetfeld verrichtete Arbeit mithilfe des gegebenen Drehmoments ausgedrückt:14\[ W ~=~ -\int M \, \text{d}\varphi \]
Setze nun in 14
den Drehmoment-Betrag 10
ein. Integriert wird über den Winkel von \(\pi/2\) bis zu einem variablen Winkel \(\varphi\). (Die untere Grenze \(\pi/2\) wurde so gewählt, damit der Nullpunkt der potentiellen Energie auf Null gesetzt ist):15\begin{align*}
W & ~=~ -\mu \, B \int_{\pi/2}^{\varphi} \sin(\varphi) \, \text{d}\varphi \\\\ & ~=~ -\mu \, B \, \bigl[ - \cos(\varphi) \bigr]^{\varphi}_{\pi/2} \\\\ & ~=~ \mu \, B \, \bigl[ \cos(\varphi) - \cos(\pi/2) \bigr] \\\\ & ~=~ \mu \, B \, \cos(\varphi)
\end{align*}
Die potentielle Energie \(W_{\mu}\) des magnetischen Dipols entspriht dabei der negativen, vom externen Magnetfeld verrichteten Arbeit \(W\): \( W_{\mu} = - W\). Damit ist die potentielle Energie des magnetischen Dipols gegeben durch:16\[ W_{\mu} ~=~ -\mu \, B \, \cos(\varphi) \]
Oder kompakt ausgedrückt mithilfe des Skalarprodukts:
Kraft
Eine konservative Kraft \(\boldsymbol{F}\) lässt sich als Gradient der potentiellen Energie \(W_{\text{pot}}\) schreiben:18\[ \boldsymbol{F} ~=~ - \nabla W_{\text{pot}} \]hierbei ist \(\nabla\) der Nabla-Operator.
Einsetzen der potentiellen Energie 17
des magnetischen Dipols in 18
ergibt:19\[ \boldsymbol{F} ~=~ - \nabla \left( -\boldsymbol{\mu} \cdot \boldsymbol{B} \right) ~\Leftrightarrow \]
Da \(\boldsymbol{\mu}\) ortsunabhängig ist, lässt sich 20
alternativ auch folgendermaßen schreiben:21\[ \boldsymbol{F} ~=~ \boldsymbol{\mu} \, \nabla \boldsymbol{B} \]
Hierbei ist \(\nabla \boldsymbol{B}\) im dreidimensionalen Fall eine 3x3-Matrix.