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Bra-Ket-Notation

Wellenfunktion als Zustandsvektor
Inhaltsverzeichnis
  1. Wellenfunktion als Vektor im Hilbertraum Hier lernst du, wie die Wellenfunktion aus der Quantenmechanik als ein unendlichdimensionaler Vektor aufgefasst werden kann, der im Hilbertraum lebt.
  2. Bra- und Ket-Vektoren Hier lernst du, wie Bra- und Ket-Vektoren definiert sind und wie sie miteinander zusammenhängen.
  3. Skalarprodukt und Inneres Produkt in Bra-Ket-Notation Hier lernst du, wie die Bra-Ket-Notation dazu benutzt werden kann, um das Überlappungsintegral als Skalarprodukt der Bra-Ket-Vektoren aufzufassen.
  4. Tensorprodukt (Dichte-Matrix)

Wellenfunktion als Vektor im Hilbertraum

Betrachte irgendeine eindimensionale Wellenfunktion \( \mathit{\Psi}(x)\), die ein quantenmechanisches Teilchen beschreibt. Der Wert der Wellenfunktion, beispielsweise am Ort \( \class{red}{x_1} \) ist \( \mathit{\Psi}(\class{red}{x_1}) \), am Ort \(\class{green}{x_2}\) ist der Funktionswert \( \mathit{\Psi}(\class{green}{x_2}) \), am Ort \(\class{blue}{x_3}\) ist er \( \mathit{\Psi}(\class{blue}{x_3}) \) und so weiter. Du kannst auf diese Weise, anschaulich gesagt, jedem \(x\)-Wert einen Funktionswert zuweisen. Wir können dann die ganzen Funktionswerte als eine Liste von Werten darstellen. Diese Liste von Werten können wir als einen Spaltenvektor \( \mathit{\Psi}\) auffassen, der in einem abstrakten Raum lebt. Der Vektor hat dann die Komponenten:

Wellenfunktionswerte als Spaltenvektor
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Dieser Vektor wird von den Koordinaten \( \mathit{\Psi}(\class{red}{x_1}) \), \( \mathit{\Psi}(\class{green}{x_2}) \), \( \mathit{\Psi}(\class{blue}{x_3}) \) aufgespannt. Wir können diesen angenäherten Vektor sogar veranschaulichen (siehe Ilustration 1, rechts):

Wellenfunktion als Zustandsvektor
Links: Reelle Wellenfunktion \(\Psi(x)\) und ihre drei Beispiel-Funktionswerte. Rechts: Drei Funktionswerte spannen ein näherungsweises Koordinatensystem auf, in dem die Wellenfunktion \(\Psi\) als Vektor aufgefasst wird.

Sobald wir noch einen zusätzlichen Funktionswert \( \mathit{\Psi}(x_4) \) dazu nehmen, wird der Raum vierdimensional und nicht mehr anschaulich. Das Prinzip, wie eine Funktion als Vektor aufgefasst werden kann, ist hoffentlich nun klar. Im Fall der Wellenfunktion bezeichnen wir den Vektor 2 als Zustandsvektor.

Theoretisch gibt es natürlich unendlich viele \( x \)-Werte. Deshalb gibt es auch unendlich viele dazugehörige Funktionswerte \( \mathit{\Psi}(x) \). Wenn es unendlich viele Funktionswerte \( \mathit{\Psi}(x) \) gibt, ist der Raum, in dem der Zustandsvektor \( \mathit{\Psi}\) lebt, unendlich-dimensional. Denk dran, dass das kein unendlichdimensionaler Ortsraum ist, sondern ein abstrakter Raum, wie in der Illustration 1 gezeigt. Dieser abstrakte Raum, in dem quantenmechanische Zustandsvektoren leben, heißt Hilbertraum. Im Allgemeinen ist das ein unendlich-dimensionaler Vektorraum. Er kann aber auch endlich-dimensional sein, wie z.B. im Fall von Spinzuständen.

Wenn du die Wellenfunktion beispielsweise für numerische Berechnungen mit dem Computer, durch endlich viele Funktionswerte annäherst (anders geht es ja nicht), wird der \( \mathit{\Psi}\)-Vektor 1 endlich viele Komponenten haben. Es ist klar, dass, wenn du ein größeres \(n\) wählst, wird die Darstellung der Wellenfunktion als Vektor genauer:

Wellenfunktionswerte als endlicher Spaltenvektor
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Wenn der Hilbertraum endlich-dimensional ist, dann lebt ein \( \mathit{\Psi}\)-Vektor, wie 2, mit \(n\) Komponenten, in einem \(n\) dimensionalen Hilbertraum.

Bra- und Ket-Vektoren

Wie du gesehen hast, können wir also ein quantenmechanisches Teilchen auf zwei Weisen repräsentieren:

  • als Wellenfunktion

  • als Zustandsvektor

Damit wir die Beschreibung des Teilchens als Zustandsvektor von der Beschreibung als Wellenfunktion unterscheiden können, notieren wir den Zustandsvektor 1 folgendermaßen:

Ket-Vektor
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Wellenfunktion \(\mathit{\Psi}(x)\) dargestellt als Spaltenvektor wird Ket-Vektor \(|\mathit{\Psi}\rangle\) genannt. Dabei ist es egal, was du zwischen \( | ~~ \rangle \) schreibst. Du hättest beispielsweise genauso \(|\mathit{\Psi}(x)\rangle\) schreiben können. Hauptsache es ist aus der Ket-Notation klar, welches quantenmechanisches System der Ket-Vektor 3 repräsentiert.

  • Wenn du also die Ket-Notation \(|\mathit{\Psi}\rangle\) siehst, dann weißt du, dass damit die Vektordarstellung des Teilchenzustands gemeint ist.

  • Wenn du dagegen \(\mathit{\Psi}(x)\) siehst, dann weißt du, dass damit die Darstellung des Teilchenzustands als Wellenfunktion gemeint ist.

Der zum Ket-Vektor adjungierte Vektor \(|\mathit{\Psi}\rangle^\dagger\) wird Bra-Vektor genannt. Das Zeichen '\(\dagger\)' wird als 'dagger' ausgesprochen, was übersetzt 'Dolch' heißt. Für eine raffinierte, kompakte Notation schreiben wir den Bra-Vektor mit einem umgekehrten Pfeil: \(|\mathit{\Psi}\rangle^\dagger ~:=~ \langle\mathit{\Psi}|\). Beachte, dass 'adjungieren' manchmal auch 'Hermitesch konjugieren' genannt wird.

Um den zum Ket-Vektor \( |\mathit{\Psi}\rangle \) adjungierten Bra-Vektor \( \langle\mathit{\Psi}| \) zu erhalten, musst du zwei Dinge tun:

  1. Den Ket-Vektor 3 transponieren. Dadurch wird er zu einem Zeilenvektor:

    Transponierter Ket-Vektor
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  2. Den Ket-Vektor 3 komplex-konjugieren. Dadurch kommen 'Sternchen' an die Komponenten.

Bra-Vektor
Anker zu dieser Formel
Was sind Bra-Ket-Vektoren?

Die Wellenfunktion \(\mathit{\Psi}\) in der Vektordarstellung entspricht dem Ket-Vektor \(|\mathit{\Psi}\rangle\) und der zum Ket-Vektor adjungierte Zeilenvektor \(\langle\mathit{\Psi}|\) ist der Bra-Vektor.

Da wir nun die Wellenfunktion \(\mathit{\Psi}\) als einen Ket-Vektor \(| \mathit{\Psi} \rangle\) interpretiert haben, können wir im praktisch damit genauso rechnen, wie mit üblichen Vektoren, die du aus der Matheamtik kennst. Wir können beispielsweise ein Skalarprodukt oder ein Tensorprodukt zwischen den Bra-Ket-Vektoren bilden. Das, was wahrscheinlich neu für dich ist, ist dass die Komponenten des Vektors komplex sein können und die Anzahl der Komponenten überabzählbar unendlich sein kann. In diesem Fall hättest du einen Vektor mit unendlich vielen Komponenten. Praktisch, das heißt bei der numerischen Darstellung eines Ket-Vektors, hat er natürlich stets endlich viele Komponenten. Aber auch bei endlichen Hilberträumen, die in der Quantenmechanik genauso wichtig sind, ist die Anzahl der Komponenten der Bra-Ket-Vektoren endlich. Die Spin-Zustandsvektoren beispielsweise, leben in einem zwei-dimensionalen Hilbertraum. Damit hätten die Bra- und Ket-Vektoren nur zwei Komponenten.

Skalarprodukt und Inneres Produkt in Bra-Ket-Notation

Du kannst das Skalarprodukt der Bra-Ket-Vektoren bilden. Im abstrakten, unendlich dimensionalen Raum wird Skalarprodukt übrigens als inneres Produkt genannt. Im endlich dimensionalen Hilbertraum sieht das Skalarprodukt zwischen dem Bra- und Ket-Vektor folgendermaßen aus:

Zeilen-Bra-Vektor mit Spalten-Ket-Vektor multipliziert
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Hier sieht du eines der vielen Beispiele dafür, warum die Notation des Bra-Vektors mit einem umgekehrten Pfeil bequem ist. Die Notation eignet sich sowohl für Skalarprodukte in endlichen als auch als inneres Produkt in unendlichen Hilberträumen. Dabei brauchen wir nicht den Skalarprodukt-Punkt und einen senkrechten Strich mitzuschreiben. Wir schreiben \(\langle\mathit{\Psi} | \mathit{\Psi} \rangle\) statt \( \langle\mathit{\Psi} | ~\cdot~ | \mathit{\Psi} \rangle \).

Natürlich kannst du auch das Skalarprodukt zwischen zwei verschiedenen Zustandsvektoren bilden:

Zeilen-Bra-Vektor mit anderem Spalten-Ket-Vektor multipliziert
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Du kannst wie bei der üblichen Matrixmultiplikation die Vektoren in 7 ausmultiplizieren:

Skalarprodukt zweier Zustände ausgeschrieben
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Du kannst Gl. 8 noch kürzer mit einem Summenzeichen schreiben (wenn die Dimension des Hilbertraums überabzählbar unendlich ist, dann ist die Summe natürlich nur eine Näherung):

Skalarprodukt zweier Zustände
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Hierbei ist \(n\) die Dimension des Hilbertraums, also die Anzahl der Komponenten eines Zustandsvektors, der in diesem Hilbertraum lebt.

Wenn wir zwei normierte und orthogonale Zustände \( \mathit{\Psi}_i \) und \( \mathit{\Psi}_j \) nehmen und sie mit Indizes und nicht mit verschiedenen Buchstaben versehen, dann ergibt das Skalarprodukt entweder 0 oder 1 (stell dir dazu das Skalarprodukt zweier Basisvektoren vor).

  • Skalarprodukt zweier unterschiedlicher orthonormierter Zustände (\(i \neq j\)) ergibt 0.

  • Skalarprodukt zweier gleicher, orthonormierter Zustände (\(i = j\)) ergibt 1.

Diese Orthogonalität der Zustände kann in einer einzigen Gleichung mit einem Kronecker-Delta und Einstein-Summenkonvention zusammengefasst werden:

Skalarprodukt zweier orthogonaler Zustände
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Den anschaulichen Übergang zu einem unendlich dimensionalen Hilbertraum können wir folgendermaßen machen: Wir skalieren das Skalarprodukt 9 mit \(\Delta x\) und lassen \(\Delta x \rightarrow 0 \) gegen Null gehen. Dann verwandelt sich \(\Delta x\) in \(\text{d}x \) und das Summenzeichen in ein Integral, was quasi einer kontinuierlichen Summe entspricht:

Inneres Produkt zwischen gleichen Zuständen
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Das Integral 9 wird manchmal Überlappungsintegral genannt, weil es wie das Skalarprodukt angibt, wie stark sich die beiden Zustände \( \langle\mathit{\Psi} | \) und \(| \mathit{\Psi} \rangle\) überlappen.

Natürlich können wir den Überlapp zwischen zwei verschiedenen Zuständen ausrechnen. Bra- und Ket-Vektor müssen nicht den gleichen Zustand beschreiben:

Inneres Produkt zweier Zustände
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Was besagt das Skalarprodukt (inneres Produkt) anschaulich?

Das Skalarprodukt und inneres Produkt \(\langle\mathit{\Phi} | \mathit{\Psi} \rangle\) ist eine Zahl, die misst, wie stark sich zwei Zustände \(\mathit{\Phi}\) und \(\mathit{\Psi} \) überlappen.

Tensorprodukt (Dichte-Matrix)

Eine weitere wichtige Operation zwischen Bra-Ket-Vektoren ist das Tensorprodukt: \(|\mathit{\Phi} \rangle ~\otimes~ \langle\mathit{\Psi} |\). Das Tensorzeichen '\(\otimes\)' können wir weglassen, weil aus der Bra-Ket-Notation sofort klar ist, dass es sich um kein Skalarprodukt handelt. Die Reihenfolge von Bra- und Ket-Vektor wurde schließlich vertauscht.

Das Ergebnis des Tensorprodukts ist eine Matrix. Im Fall vom Tensorprodukt zweier quantenmechanischer Zustände wird diese Matrix als Dichtematrix oder basisunabhängig als Dichteoperator bezeichnet:

Dichtematrix
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Wenn der Zustand \( |\mathit{\Psi} \rangle \) normiert ist und wir das Tensorprodukt \(|\mathit{\Psi} \rangle \langle\mathit{\Psi} | \) bilden, dann wird dieses Produkt als Projektor oder Projektionsmatrix bezeichnet. Wenn wir die Projektionsmatrix \(|\mathit{\Psi} \rangle \langle\mathit{\Psi} | \) auf einen Ket-Vektor \( |\mathit{\Phi} \rangle \) anwenden (Matrix wird auf einen Vektor angewendet): \(|\mathit{\Psi} \rangle \langle\mathit{\Psi} | \, \mathit{\Phi} \rangle \), dann bekommen wir einen neuen Ket-Vektor, der die Projektion von \( |\mathit{\Phi} \rangle \) auf \( |\mathit{\Psi} \rangle \) angibt. Damit können wir also herausfinden, wie viel von dem Zustand \( |\mathit{\Phi} \rangle \) im Zustand \( |\mathit{\Psi} \rangle \) steckt.

Eine weitere wichtige Anwendung der Projektionsmatrix ist das sogenannte Einschieben der Eins. Nehmen wir eine Menge \( \{|\Psi_i\rangle \} \) von Zustandsvektoren \(|\Psi_i\rangle\), die eine Orthonormalbasis bilden. Das heißt: Diese Zustandsvektoren sind orthogonal zueinander, normiert und sie spannen den Hilbertraum auf, in dem sie leben. Die Summe der Projektionsmatrizen dieser Basisvektoren ergibt eine \(n\) x \(n\)-Einheitsmatrix:

Summe der Projektoren ergibt Einheitsmatrix
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Diese Einheitsmatrix können wir auf einen beliebigen Zustand \( |\mathit{\Phi} \rangle \) anwenden:

Einschieben der Eins für eine endliche Basis
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Hierbei pickt das Skalarprodukt \(\langle\mathit{\Psi}_i | \mathit{\Phi} \rangle\) die \(i\)-te Komponente, des Zustands \(| \mathit{\Phi} \rangle\) heraus. Nennen wir die \(i\)-te Komponente kurz als \(\langle\mathit{\Psi}_i | \mathit{\Phi} \rangle := \varphi_i \):

Darstellung eines Zustands in einer Basis
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Mit dem Trick "Einschieben der Eins" sind wir in der Lage einen Zustand \(|\mathit{\Phi} \rangle\) in der Basis \( \{|\Psi_i\rangle \} \) darzustellen.

Ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum wird von unendlich vielen Basiszuständen aufgespannt. Um das Einschieben der Eins (Gl. 15) für einen unendlichen Hilbertraum zu übersetzen, skalieren wir 15 mit \(\Delta x\) und lassen es gegen Null gehen. Dann verwandelt sich \(\Delta x\) in ein infinitesimales Intervall \(\text{d}x\) und das Summenzeichen wird zu einem Integralzeichen:

Einheitsmatrix für eine unendliche Basis
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Diese Einheitsmatrix hat jetzt unendlich viele Spalten und Zeilen. Mit Gl. 17 sind wir jetzt in der Lage einen Ket-Vektor \( | \Phi \rangle \) darzustellen, der in einem unendlich-dimensionalen Hilbertraum lebt:

Einschieben der Eins für eine unendliche Basis
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Mit diesem Grundwissen solltest du nun die Gleichungen der Quantenmechanik in der Bra-Ket-Notation verstehen können.

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