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Diracsche Delta-Funktion & ihre Eigenschaften
Die Delta-Funktion ist eine nützliche mathematische Erfindung, die in vielen Fachgebieten der theoretischen Physik Anwendung findet. Angefangen in der Elektrodynamik bei der Beschreibung von elektrischen Punktladungen als eine in einem einzigen Punkt konzentrierte Ladungsdichte, bis hin zur Quantenfeldtheorie bei der Beschreibung von Quantenfeldern als Operatoren.
Definition und nützliche Eigenschaften
Dirac-Deltafunktion (oder Delta-Distribution, oder Dirac-Delta) - ist eine infinitesimal schmale, unendlich hohe Spitze. Die Delta-Funktion ist überall Null, außer an der Stelle \(x = c \):
Was können wir nach dieser Definition 1
über das Produkt \(f(x) \,\delta(x-c)\) sagen, wenn wir also eine beliebige, stetige Funktion \(f(x)\) mit der Deltafunktion \(\delta(x-c)\) multiplizieren?
- Wenn \( x \neq c \) ist, dann verschwindet das Produkt: \(f(x) \,\delta(x-c) ~=~ 0\).
- Wenn \( x = c \) ist, dann ist das Produkt nicht Null: \(f(x) \,\delta(x-c) ~\neq~ 0\).
Fasst Du nun beide Fälle zusammen, dann darfst Du die Funktion \( f(x) \) durch den Wert ersetzen, den sie an der Stelle \( c \) annimmt, also durch \( f(c) \):2\[ f(x) \,\delta(x-c) ~=~ f(c) \,\delta(x-c) \]Beispiel: Produkt mit Delta-DistributionFür eine Funktion \( f(x) ~=~ x^2 \) ist das Produkt:3\[ x^2 \,\delta(x-c) ~=~ c^2 \, \delta(x-c) \]da \( \delta(x-c) \) nur bei \( x~=~ c \) nicht Null ist.
Eine wichtige Eigenschaft der Deltafunktion ist, dass die von ihr eingeschlossene gesamte Fläche Eins ist. Die eingeschlossene Gesamtfläche einer Funktion ist gegeben durch das Integral der Funktion von \( x = -\infty \) bis \( x = +\infty \). Übertragen auf die Delta-Funktion bedeutet diese Eigenschaft:
Weitere Eigenschaften sind:
- Du darfst den Faktor \(k\) aus der Deltafunktion herausziehen. Außerhalb der Deltafunktion verwandelt sich \(k\) zu einem Kehrwert ihres Betrags (Beweis als Quest):5\[ \delta(k \, x) ~=~ \frac{1}{|k|} \, \delta(x) \]
- Aus dieser Eigenschaft folgt mit \(k = -1\) direkt, dass die Deltafunktion symmetrisch ist:6\[ \delta(-x) ~=~ \delta(x) \]
- Außerdem folgt aus
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, dass die Dimension der Deltafunktion dem Kehrwert der Dimension von \(x\) entspricht:7\[ \left[ \delta(x) \right] ~=~ \frac{1}{[x]} \]
Hinweis: Bevor Du die Delta-Distribution benutzt, musst Du sie erst mithilfe dieser Regeln auf die Form bringen, in der sie definiert ist! Das heißt: Zuerst alle Vorfaktoren aus der Klammer ziehen, sodass das Argument der Delta-Distribution die Form \( (x-c) \) hat.
Deltafunktion in einem Integral
Integrierst Du nun die Gleichung:8\[ f(x) \,\delta(x-c) ~=~ f(c) \, \delta(x-c) \]Dann hast Du mit eben überlegter Eigenschaft der Delta-Distribution:\[ \int_{-\infty}^{\infty} f(x) \, \delta(x-c) ~ \text{d}x ~=~ \int_{-\infty}^{\infty} f(c) \, \delta(x-c) ~ \text{d}x \]
\( f(c) \) ist aber eine Konstante, weshalb Du sie vor das Integral schreiben darfst:9\[ \int_{-\infty}^{\infty} f(x) \, \delta(x-c) ~ \text{d}x ~=~ f(c) \, \int_{-\infty}^{\infty} \delta(x-c) ~ \text{d}x \]
Setzt Du nur noch die Definition der Dirac'schen Delta-Funktion ein, die besagt dass10\[ \int_{-\infty}^{\infty} \delta(x-c) ~ \text{d}x ~=~ 1 \]dann hast Du:11\[ f(c) \, \int_{-\infty}^{\infty} \delta(x-c) ~ \text{d}x ~=~ f(c) \]
Zusammengefasst pickt die Delta-Funktion \(\delta(x-c)\) in einem Integral mit einer Funktion \(f(x)\) einen bestimmten Funktionswert \(f(c)\) heraus:
Beachte! Liegt der Wert, bei dem die Delta-Distribution nicht Null ist - im Beispiel 2 ist es bei \( x ~=~ 3 \) der Fall - außerhalb des Integrationsbereichs, dann wird das Integrall Null.
Mit Integrationsgrenzen 0 und 1 für Beispiel 2, hast Du ja dann:14\[ \int_{0}^{1} x^2 \, \delta(x-3) ~ \text{d}x ~=~ 9 \, \int_{0}^{1} \delta(x-3) ~ \text{d}x \]aber eine Funktion, die nur für \( x \) von 0 bis 1 aufsummiert (integriert) wird, ist15\[ \delta(x-3) ~=~ 0 \]weil Du ja schließlich mit den Integrationsgrenzen 0 bis 1, die Spitze bei \( x ~=~ 3 \) nicht mitaufsummierst; deshalb darfst Du auch keine 3 in \( \delta(x-3) \) einsetzen, weshalb die Delta-Distribution damit immer Null bleibt. Und somit auch das Integral:16\[ \int_{0}^{1} x^2 \, \delta(x-3) ~ \text{d}x ~=~0 \]
Vergleich mit dem Kronecker-Delta
Die Definition des Dirac-Delta \(\delta(x-c)\) erinnert dich vielleicht ein bisschen an die Definition von Kronecker-Delta \(\delta_{ij}\). Ihre Funktionsweise ist sehr ähnlich. Erinnere dich daran, was Kronecker-Delta, in einem Produkt mit einer Vektorkomponente \(v_i\) tut: \(v_i \, \delta_{ij}\). Hier wird nach der Summenkonvention über \(i\) summiert:17\begin{align} v_i \, \delta_{ij} &~=~ \underset{i\,=\,1}{\overset{3}{\boxed{+}}} ~ v_i \, \delta_{ij} \\\\ & ~=~ v_j \end{align}
Wenn du 17
mit 12
vergleichst, dann siehst du, dass eine diskrete Summation (Summenzeichen) beim Kronecker-Delta durch eine kontinuierliche Summation (Integralzeichen) bei der Deltafunktion ersetzt wird. Außerdem pickt das Kronecker-Delta \(\delta_{ij}\) die \(j\)-te Komponente des Vektors heraus und die Deltafunktion \(\delta(x-c)\) pickt den Funktionswert \(f(c)\) heraus.
Während wir mit dem Kronecker-Delta eine Vektorkomponente aus endlich vielen Vektorkomponenten herauspicken können, können wir mit der Deltafunktion einen Funktionswert aus unendlich vielen Funktionswerten herauspicken.
- Das Kronecker-Delta kommt quasi zum Einsatz, wenn wir mit Vektoren \(\boldsymbol{v}\) und ihren endlich vielen Vektorkomponenten \(v_i\) herumhantieren.
- Die Deltafunktion kommt zum Einsatz, wenn wir mit Funktionen \(f\) und ihren unendlich vielen Funktionswerten \(f(x)\) herumhantieren.